11 - 15 Mai

 

Noch liegen wir in der Lagune vor Alvor. Das Schiff ist klar, wir sind klar, bloss ein gutes Wetterfenster lässt auf sich warten... Aber wir wollen jetzt schon gerne los; zunächst nach Porto Santo und eigentlich dann auch weiter zu den Azoren. Täglich studieren wir die 3 W`s: Wind Wetter und Wellenbedingungen. Und täglich finden wir sie nicht optimal oder haben Schiss vor Wellen über 1 Meter oder vor Wind über 5 Bft (so ein Blödsinn !!!)

 

Dann am Mittwochmorgen, dem 11. Mai erscheinen die Bedingungen irgendwie OK: 1. Tag 3 – 4 Bft raumer Wind und wenig Welle, 2. Tag wenig Wind und drehend und dann 2 Tage 4 – 5 Bft fast von vorne mit abnehmender Wellenhöhe bei 7 Sekunden. Im Nachhinein gesehen:

 

SIND WIR DENN BESCHEUERT ??? Was ist daran denn ... „OK“ ?

 

Wir entscheiden, loszufahren (1. falsche Entscheidung!). Aber unser Wassertank ist leer. Also fahre ich noch 2 x mit dem Dingi voller Kanistern und Flaschen zum Fischerhafen um aufzufüllen. Ausserdem muss ich noch das „In Reach“ (unser Satellitenkommunikationssystem) aktivieren und mich mit dessen Gebrauch nochmal auseinandersetzen. Das wird alles etwas hektisch - keine gute Voraussetzung!

 

Um 12 Uhr gehen wir Anker auf und fahren bei Hochwasser aus der Lagune. Draussen werden wir von einem chaotischen Wellenbild empfangen. Ein direkter Kurs auf`s Verkehrstrennungsgebiet ist nicht möglich und es wird ein ziemliches Rumgeeiere. Zudem befinden wir uns plötzlich in einem Fischereisperrgebiet, deren Tonnen wir wohl übersehen haben.

 

Als Plan B hatten wir überlegt, nach Portimao in den Hafen zu gehen. Nach einigem Hin und Her wollen wir probieren weiterzufahren ... unter Motor und leichter Übelkeit! (2. falsche Entscheidung !).

 

Gegen 14 Uhr ist das Wellenbild immer noch sehr sehr wechselhaft. Aber wir können immerhin auf Am Wind Kurs segeln (sollten wir nicht raumen Wind haben?).

 

Ca 17 Uhr kommt der Wind dann von hinten, ist aber zu wenig um damit zu segeln. Durch die Schaukelei und meinem Unwohlsein bin ich aber nicht in der Lage, den Gennaker zu setzen. Also Motoren wir mit Großsegelunterstützung, was bedeutet, dass nun das Groß immer (un)schön hin und herflappt !!!

 

Helga frönt ihrer Taktik bei Seekrankheit. Sie liegt im Salon und döst oder schläft. Skip ist sehr unruhig und schaut mich immer wieder vorwurfsvoll an ...

 

Die Schaukelei und das Geflappe nerven mich total !!! Ich drehe um und nehme Kurs auf Portimao ...

 

Es ändert sich aber nix. Die Wellen sind immer noch Scheisse und Segeln ist auch nix, da der Wind nun direkt von vorne kommt. Dann kann ich ebensogut weiterfahren. Ich drehe also wieder um (3. und folgenschwerste Entscheidung !).

 

Immerhin sehe ich kurz meinen ersten (Grind)Wal und ab 21 Uhr können wir unter Vollzeug dann endlich Raumwindsegeln ...

 

Wir fahren zwar nicht direkt durch das Verkehrstrennungsgebiet, aber queren dessen Ende. Diesmal haben wir nicht so viel Glück wie sonst. Viele Pötte kommen uns in die Quere und ich muss ständig aufpassen... "Natürlich" haben wir auch wieder Verluste des GPS Signals, was ich aber schnell beheben kann.

 

Mit einem 3er aus NE geht es dann durch die erste Nacht. Es ist phasenweise immer wieder schaukelig, aber einigermaßen OK. Ich habe noch nie erlebt, dass sich ein Wellenbild so schnell verändert...

 

2.Tag Donnerstag

 

05 Uhr Der Wind dreht jetzt auf N und wir müssen mehr westlich segeln. Ausserdem wird es jetzt extrem schaukelig. Helga findet das im warsten Sinn des Wortes zum Kotzen. Mir geht es auch nicht so viel besser, bekomme meinen Magen aber geregelt (ist nämlich nix drin). Schlimmer ist aber, dass ich am Verzweifeln bin, und mir heftige Vorwürfe mache, weil ich so blöde Entscheidungen getroffen habe ... (wir könnten jetzt so schön ruhig im Hafen von Portimao liegen ...)

 

Als es hell wird, bemerke ich, dass ich die Leinen von Bullenstander und Fockschot übereinander gelegt habe und die Fockschot fast durchgescheuert ist ... (der erste von weiteren Materialschäden ...)

 

Gegen 10h bin ich einigermaßen in der Lage den Gennaker zu setzten. Kaum ist er oben, dreht der Wind auf WNW. Also das Ding wieder runter und Am Wind Segeln. Nach einer Stunde haben wir wieder N und später NE ...

 

Nachmittags NNE 4. Der Gennaker zieht und es wird endlich deutlich ruhiger im Schiff ! So geht es in die zweite Nacht.

 

3. Tag Freitag

 

In der Nacht muss ich den Gennaker bergen; eine sehr haarsträubende Angelegenheit bei der Schaukelei. Weil bei mir weiter nix geht, segeln wir nur mit Genua und Besan weiter. Das Groß hatte ich – so gut es ging – festgezurrt. Aber halt nicht gut genug. Der Teil in Dachnähe lag auf dem Solarpaneel, welches durch die Schiffsbewegungen zwei kleine Risse in das NIGELNAGELNEUE Großsegel gerieben hat ...

 

Ab 9 Uhr verbringe ich die nächsten Stunden mit Gennaker setzen, bergen, setzen, bergen, Seitenwechseln ... was mir den Spruch von Helga einbringt: „Wo nimmst Du nur die ganze Energie her?“

 

Ab 13 Uhr ist der Wind dann weg. Wir segelmotoren und „erfreuen“ uns wieder am Segelflappen (die Risse sind notdürftig repariert).

 

16:20h Gennaker an Backbord, 17:40h Gennaker an Steuerbord 18:30h Gennaker geborgen. Ab jetzt wird motort ... Der Diesel müsste ja reichen.

 

4.Tag Samstag

 

In der Nacht rödele ich rum, um verschiedene Segelszenarien auszuprobieren, aber letztendlich wird es doch wieder Motorsegeln.

 

11 Uhr Blauer Himmel, Südwind 3 – 4. Wir segeln und bekommen kurzen Delphinbesuch. Auch Helga scheint nun wieder fit zu sein. Wird`s jetzt doch noch schön?

 

13 Uhr NEIN ! Der Wind dreht jetzt auf SW (also genau gegenan). Dazu kommt nun eine kurze Hackwelle mit 2 Sekunden (statt angesagten 7 !); ebenfalls von vorne. D.h., es wird richtig fies, weil das Boot jetzt auf die Wellen knallt und wir in den nächsten Stunden jede Menge Wasser über bekommen (Skips Scheiße schwimmt nach hinten) ... "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen" ...

 

5. Tag Sonntag

 

Jepp, das tut`s dann auch. Kurz nach Mittenacht wache ich auf und habe Hunger. Das rettet uns wahrscheinlich das Leben ... oder verhindert zumindest ziemliches Ungemach!

 

Ich gehe runter in den Salon (wo Helga schläft), um was zu essen und ... bemerke Schmorgeruch. Sofort schrillen meine inneren Alarmglocken und ich reisse sämtliche Türen und Schaps auf. Hinter der Schalttafel kommt mir dann eine dicke Qualmwolke entgegen. Ich drehe sofort die beiden 12 V Hauptschalter ab, sorge für zusätzliche Belüftung und reisse die verkohlten Kabel heraus, deren ich habhaft werden kann. Dann mache ich die Hauptschalter wieder an. Es macht Bitch und ich stehe im Dunkeln. Das war die Hauptsicherung zur Schalttafel. Nun haben wir weder Innen- noch Navigationsbeleuchtung. Auch unser AIS und das Funkgerät sind ausser Funktion. Zum Glück haben die Instrumente im Cockpit einen anderen Schaltkreis, sodass GPS, Laptop und Autopilot weiterhin funktionieren.

 

Anscheinend hat das viele überkommende Wasser einen Weg durch das Deck hinter den Schaltkasten gefunden und dort einen Kurzschluss verursacht.

 

Da haben wir aber ganz schön Schwein gehabt !!!

 

Viel Schlaf bekomme ich in dieser Nacht nicht mehr - im Gegensatz zu Helga, die während der ganzen Aktion (anscheinend seelenruhig) weiter liegen geblieben ist und ja auch nur an einer Rauchvergiftung hätte sterben können!

 

Nachdem sich meine Anspannung gelegt hat, heule ich erstmal drauflos ...

 

9:50h Land in Sicht!!!

Das wird aber auch Zeit !!! Leider zieht es sich hin, weil wir nicht so schnell fahren können. Die Motortemperatur steigt bei höheren Drehzahlen an (eine spätere Kontrolle ergibt einen Ölstand unter Minimum!).

 

Ich hatte mich so auf ein leckeres Sonntagsfrühstück gefreut ... !

 

16 Uhr Endlich ... wir sind 50 Meter vor der Hafeneinfahrt ... FÜNFZIG METER ! ... als das Boot stoppt !!?? Kein Vortrieb mehr ... Mein erster Gedanke: jetzt haben wir die Schraube verloren...

 

Wir sind auf 17 Meter Wassertiefe. Am Besten lassen wir den Anker runter. Als ich nach vorne gehe und das tun will sehe ich ... keinen Anker ... !? Dann dämmerts mir. Der hat sich – wahrscheinlich schon vor Stunden oder auch schon gestern bei der Wellenhoppelei – aus der Verankerung gerissen und ist mitsamt 50 m Kette in die Tiefe gerauscht (zum Glück haben wir dabei keinen Wal geangelt ...) Jedenfalls hat sich der Anker bei dem nun ansteigendem Meeresboden schön in den Sand eingegraben. Durch den dann plötzlichen Ruck hat die Kette den gesamten Ankerbeschlag herausgerissen, und die Lackierung im Bugbereich beschädigt. L

 

Um unser Pech noch zu toppen funktioniert auch die Ankerwinsch nicht mehr (wie sich später herausstellt, ist auch der Hauptschalter durchgebrannt).

 

Ich bin eh schon am Ende meiner Kräfte und soll nun auch noch per Armeskraft 50 m Kette hochziehen ? Ja, ich soll ...

 

Es dauert ca. 1 Stunde, dann ist der Anker oben und ich fix und alle. Aber wir können jetzt in den Hafen rein. Eine Boje ist noch frei, aber Pascal liegt mit seinem Boot am Mauersteg, so dass wir um 17 Uhr bei ihm ins Päckchen gehen können.

 

WAS FÜR EIN SCHEISSTÖRN !!!  

 

Und was für eine verlustreiche Schlacht, die wir - nur gerade so eben - gewonnen haben!

 

Aber jetzt sind wir sind da!