Überfahrt zu den Azoren
Ca. 2 Wochen lang studieren wir und die Crews der Petima und Evilja die Wettervorhersagen. Dann, in der zweiten Maiwoche scheint sich ein gutes Wetterfenster aufzubauen: Wind von Nordwest (also Halbwindkurs), ein Tag Flaute und dann Wind von Südwest (wieder Halbwind). Dazu Welle unter 2 Meter mit langer Frequenz ... also eigentlich ideal ... theoretisch.
Freitag 14 Mai
Als Erstes startet Petima, später dann Evilja und kurz drauf wir.
10:20 Wir legen ab ... und bekommen ein kleines Problem beim Verstauen des Ankers im Ankerkasten. Ich hatte ihn schon einmal da drin (zusammen mit dem alten Anker), aber heute will er nicht. Also dreht Helga eine Ehrenrunde im Hafenareal und ich den Anker so lange hin und her, bis er endlich reinpasst und ich den Deckel schließen kann.
Im Vorhafen setzen wir Groß und Genua und dann geht es los. Gut 500 Seemeilen liegen vor uns, für die wir 4 – 5 Tage (und Nächte!) veranschlagen - unser bisher längster Törn nonstop.
Tschüss Porto Santo – wir kommen wieder ...
Zunächst geht es mit Raumwindkurs zur südlichen Spitze der Insel. Wir umrunden das Kap und gehen auf Am Wind Kurs ... sollten wir nicht Halbwind haben? Auch die Kreuzwellen sind unkomfortabel, aber das ist ja bei Kaps normal.
18 Uhr Wir fahren immer noch Am Wind Kurs. Dabei sind wir schon etwas vom direkten Kurs abgefallen. Dazu zwar keine hohen, aber kurze Wellen und damit extrem magenbeunruhigend.
21 Uhr Es dämmert und die erste Nacht beginnt ...
... Es ist immer noch sehr schaukelig. Helga hat sich schon lange in eine liegende Position im Salon begeben und auch ich habe mir ein Matratzenlager im Cockpit hergerichtet. Nur Skip ist hin und wieder noch bewegungsaktiv.
Helga und ich haben besprochen, dass ich die gesamten Nachtwachen übernehme und sie tagsüber mehr aufpasst. Das ist zwar keine ideale Lösung und funktioniert auch tagsüber seekrankheitsbedingt bei ihr nicht immer, aber
es ist ein Modell, dass bisher einigermassen funktioniert hat, um längere Strecken zu meistern ( na ja, eher zu gesellen).
Es wird eine Scheiß Nacht! Die Segel sind getrimmt und „Ray“ (Autopilot) steuert mit „scheinbarem Windwinkel". Somit brauche ich die Segelstellung nicht zu verändern, sollte es zu Winddrehern kommen. Mit 6 bis 7,5 Knoten ist die May Way verdammt schnell unterwegs, während wir seekrankheitsbedingt überwiegend lethargisch in unseren jeweiligen Positionen verharren und vor uns hindösen. Zu etwas Anderem – geschweige denn Essen - sind wir nicht in der Lage. Ohne zuverlässigem Schiff und moderner Technik wäre so ein Törn für uns nicht machbar!
Ich stelle also meinen Handytimer immer wieder auf 40 Minuten, in denen ich mehr oder weniger schlafe. Wenn`s klingelt (oder ich vorher wach werde) schaue ich auf die elektronische Seekarte und evtl. vorhandene andere Schiffssignale (AIS). Noch eine kurze Rundumsicht in die fast schwarze Nacht ... und dann geht es in die nächsten 40 Minuten. Gesunder Schlaf geht anders (sichere Navigation auch!!)
Samstag 15 Mai
10:20 Unser Etmal beträgt 127 Seemeilen in den vergangenen 24 Stunden. Ich lasse für `ne knappe Stunde den Motor laufen, um die Batterien aufzuladen und heisses Duschwasser zu bekommen.
Bis ich mich aber bewegungsmäßig zum Duschen aufraffen kann, bedarf es fast 2 weiterer Stunden ...
Nach dem Duschen geht es mir etwas besser. Auch Skip ist mittlerweile entspannter nach Erledigung seiner „Morgentoilette".
Er hat nun wohl das Vordeck als seinen „Toilettenraum" deklariert, da er sich auch bei vorherigen längeren Etappen dort entleert hat und nun auch nicht mehr erst 2 Tage braucht, um das zu tun :-)) Er wird ja auch immer gewuschelt, gelobt und mit Leckerlies dafür entlohnt, wenn er uns eine „Scheiß Arbeit" hinterlässt ;-)
18 Uhr Die See wird langsam ruhiger. Helga und ich können sogar ein Stück aufgebackenen Apfelstrudel essen (ohne Sahne, das will bei mir schon was heißen!). Ansonsten passiert nix und alle liegen weiter nur rum...
Es geht in die zweite Nacht.
Sonntag 16 Mai
Das Schlafen wird nicht besser. Zum Einen macht mich ein Tanker nervös, der zwar noch Stunden entfernt ist, aber im Winkel von hinten auf uns zuläuft. Zum Anderen werde ich vom Wecker mehrmals aus intensiven und merkwürdigen Traumphasen gerissen, die mir das Wachwerden sehr erschweren (auch Helga hat merkwürdige Träume während der Überfahrt).
6:00 Der Wind wird deutlich weniger... zu wenig, so dass Mr. Volvo ran muss.
Meine Lethargie geht mir ziemlich auf den Sack. Im Verlauf des Vormittags geht mein Seeunwohlsein aber weg und macht einem großen Bedürfnis nach Ordnung Platz. Ich fange an aufzuräumen und auch etwas zu essen. Das tut mir gut.
Danach setze ich mir Kopfhörer auf, höre einen Podcast über halluzigene Drogen und gucke gaanz viel auf die mittlerweile sehr schöne Atlantikdünung; ohne Drogen, aber mit wohl gleicher Wirkung ;-) Boa, geht`s mir gut ...
(Hey, jetzt weiss ich endlich mal, wie man hier Videos einfügt!)
Auch Helga geht es jetzt besser. Voll Übermut mache ich einen Gemüsekuchen, den wir abends zur Hälfte essen, während wir bei nun spiegelglatter See motoren.
Die dritte Nacht verläuft entsprechend ruhig mit deutlich weniger Schiffsbewegungen und ist auch sonst – bis auf die unterbrochenen Schlafphasen relativ unspektakulär.
Montag 17 Mai
Seit 4:30 herrscht auch geräuschmässig mehr Ruhe, da der Motor aus ist und wir wieder segeln können: unter Vollzeug und jetzt mit Halbwindkurs. Aber komisch, irgendwie fehlt mir jetzt das einlullende Motorgeräusch zum Weiterschlafen !?
11:30 Der Wind wird weniger und wir setzen den Gennaker. Aber irgendwie bekommen wir ihn nicht getrimmt und nehmen ihn wieder runter. Dabei peitscht Helga eine Leine ins Gesicht und hinterlässt eine kleine Schramme und einen blauen Fleck (zumindest ist das die offizielle Version, in Wirklichkeit ... ;-)
17:30 Der Wind dreht ungünstig. Zunächst können wir noch Hoch am Wind segeln, aber wieder bei unruhiger gewordener See. Wir müssen Motorsegeln, um Höhe zu laufen.
Es geht in die vierte und letzte Nacht, die wieder sehr schaukelig wird. Dafür ist kaum Schiffsverkehr. Schlaf/Wachrythmus wie gehabt.
Dienstag 18 Mai
Skip war schon wieder auf`m Klo ;-) und wir sehen die die Evilja 30 Seemeilen vor uns via AIS.
9:50 Wir drehen und liegen bei, um in Ruhe zu duschen. Dann geht`s weiter zum Endspurt.
11:00 Wir müssen wieder Motoren.
Ca. 13 Uhr LAND IN SICHT !
Nun haben wir auch wieder Telefon- und Internetsignal. Wir informieren die Marina in Santa Maria über unsere bevorstehende Ankunftszeit (ca. 16 Uhr). Der nette und lustige Hafenmeister meint, wenn Mr Volvo es bis 15 Uhr schafft, könnten wir heute noch getestet werden ...
Wir geben Gas, aber die Ankunftszeit bleibt bei kurz nach Drei! Das ist Scheiße! Was nun? Weiter Diesel verpulvern, oder aufgeben und entspannt zum Hafen segeln? Wir sind egoistisch optimistisch, geben noch mehr Gas und kommen um 15:10 an.
Der Hafenmeister meint, natürlich können wir noch getestet werden ... in ca. 2 Stunden ... grrrrh!
Aber erstmal sind wir angekommen und von der Crew der Evilja Dänemarkfähnchen schwenkend empfangen worden :-))
Fazit: 523 Seemeilen in 4 Tagen, 5 Stunden; davon "nur" 45 Stunden unter Motor. Keine Schäden an Schiff und Mannschaft (man beachte die Reihenfolge;-)!
So, noch ein kleiner Scherz: 3 Tage später realisieren wir, dass die Azoren ja eine andere Zeitzone (UTC - 1) haben als Portugal Festland und Madeira ...
Wir haben also viel Diesel verqualmt, um 1 Stunde zu früh anzukommen ... HHa,ha,ha)