Madeira - zweiter Versuch
Letztes Jahr haben wir ja gelernt, dass zwar die My Way, aber nicht Helga, Herry & Skip hochseetauglich sind. Also warum sollten wir diese Erkenntnis vertiefen?
Nun ja, da ist inzwischen 1 Jahr Zeit vergangen; vielleicht hat sich ja was verändert? (Hat es nicht !! ) Ausserdem ist es unerträgich warm in Lagos. Ausserdem wollen wir doch immer noch gerne mal nach Madeira. Und ... wir haben endlich ein gutes Wetterfenster (im Wetter sind Wellen anscheinend nicht enthalten). Und die Häfen sind nun endlich offen ... sofern man bis 72 Stunden vor abfahrt einen negativen Corvidtest nachweist.
Vorbereitungen
Aber das ist auch schon unsere erste Tortur. Ein Termin im KH ist schnell vereinbart. Als wir hinkommen, wissen die aber nix von einer Terminvereinbarung. Das ist aber weniger das Problem. Es wird nämlich auch eine ärztliche Verordnung für einen Covidtest verlangt... die wir nicht haben, aber dank der schnellen und unkomplizierten Hilfe unseres deutschen (mittlerweile Haus-)Arztes in Portimao innerhalb von 20 Minuten bekommen. Also kann die Procedur beginnen. Kennt man ja vom Fernsehen. Da wird mit einem Wattestäbchen etwas im Rachenraum abgestrichen und das war´s. Denkste... bei uns geht´s mit dem Wattestäbchen in die Nase ... nee falsch, DURCH die Nase bis irgendwo hinter das Gehirn, das sich gerade Verwünschungen denkt.
Das ganze dauert gerade mal 20 Sekunden. Die Auswertung allerdings geschieht in Lissabon. Der ganze "Spass" kostet uns dann zusammen 316 € . Das Ergebnis soll binnen 48 h kommen. Das wird knapp. Heute ist Di 11 Uhr und Do wollen wir spätestens um 10 Uhr los; eigentlich auch gerne schon Mi).
Die Warterei wird zu Vorbereitungen genutzt: Einkaufen, verstauen, alles wegräumen und festzurren ...
Mi kommt natürlich kein Ergebnis. Wir warten ...
Donnerstag 16 Juli
9 Uhr. Immer noch kein Ergebnis. Auschecken ohne wollen wir nicht. Um 9:30 kommt das natürlich negative (also für uns positive) Ergebnis. LEINEN LOS ! und erst mal durch die Brücke zum Auschecken aus der Marina.
Überfahrt nach Porto Santo
10:10 Wir verlassen Lagos (schnief).
Segel hoch und ... Motor an. Es ist zuwenig Wind und wir wollen zügig durch das „Verkehrstrennungsgebiet“ (VTG, 4-spurige "Autobahn" für Berufsschiffe).
Es geht mit Speed (6,5 – 7 Knoten) Richtung Capo Sao Vicente, da wo die Wassermassen der portugiesischen Westküste und der Algarve aufeinanderprallen, miteinander spielen, sich auftürmen und plötzlich wieder zusammenfallen. Das ist lustig anzusehen, aber unlustig anzufühlen...
12:30 Die ersten 2 Stunden gehen noch. Skip ist wie immer am Anfang sehr unruhig und tigert umher.
Gerade erreicht uns noch eine Mail aus Porto Santo. Die Hafenplätze sind alle belegt und wir müssten Ankern. Super, hätten Die uns das nicht bei unserer Anfrage letzter Woche mitteilen können? GGGRRRRHHH
14:30 Eintritt VTG. Anscheinend glückliches Timing. Von rechts kommt nix - zumindest uns zu Nahe. Später von links dann direkt 3 Brummer ziemlich nahe.
Das ist dann der Moment, wo ich aus Versehen ein Häkchen entferne, dass unsere Kursrichtung und Länge bzgl. unserer Geschwindigkeit anzeigt und somit präzise angibt, ob Kollisionsgefahr zu anderen Schiffen besteht oder nicht. Also Linie nicht mehr da, dafür bei mir reichlich PANIK ! Das jetzt mal eben aus der Lameng abzuschätzen ist schier unmöglich. Dann entdecke ich doch rechtzeitig noch das mit dem Häkchen und die Seglerwelt ist wieder in Ordnung ... Puuuhh!! Wir queren die Drei jeweils relativ dicht vor deren Bug.
18:20 So, durch`s VTG sind wir durch. Der Motor ist ausgeschaltet und wir können uns nun voll und ganz unserer aufkeimenden Seekrankheit widmen. Helga verzieht sin die Koje und ich mich in die Horizontale im Cockpit. Vorsorglich habe ich den ganzen Tag noch nichts gegessen und halte mich mit kleinen Schlucken Mineralwasser bei Laune.
Unter Vollzeug (Groß, Fock und Besan) machen wir mit 5,4 Knoten bei Halbwindkurs zwar eine gute, aber eben auch äußerst unangenehme Fahrt ...
Nee,nee,nee ... da könnte ich heute wieder schön in Cathrine`s Garten sitzen und Gitarre spielen. Aber stattdessen lassen wir uns hier ÜBEL durchschütteln!
20:20 Es hat so keinen Sinn. Die unterschiedlichen Wellensysteme lassen reines Segeln einfach nicht zu. OK, ich könnte jetzt auf`s Vordeck gehen und die Fock ausbaumen und somit für etwas mehr Stabilität sorgen ... aber ich werde einen Teufel tun, Das bei dieser Schaukelei jetzt zu machen!! Also motorsegeln (der Motor sorgt für Geschwindigkeit und die dichter geholten Segel für mehr Stabilität) wir wieder, das macht es wenigstens ein klitzekleines Bischen besser und wir sind schneller unterweg .
21:00 Helga kommt mal kurz aus ihrer Koje um die "Fische zu füttern" und gibt mir damit zu verstehen, dass ich nun die alleinige Verantwortung für das Schiff sowie die komplette Nachtwache habe – na toll :-(((.
Skip ist nach wie vor sehr unruhig. Ihm gefällt das Geschaukele auch nicht. Er tigert umher, wechselt öfters seine Positionen und sucht sehr stark meine Nähe.
22:00 Jetzt ist es auch noch Dunkel ! Was wir hier gerade machen, ist unverantwortlich. Helga ist ausgefallen, Skip ist ja perse ein fauler Hund und ich bin zu angeschlagen, um irgendetwas zu tun, ausser im Cockpit zu liegen.
Aber ich muss ja auch nix tun. Die Segel sind getrimmt, der Motor schnurrt und „Ray" unser neuer Autopilot steuert zuverlässig seinen Kurs :-))
Ich stelle den Timer vom Handy immer wieder auf 20 Minuten., werfe einen Blick auf den Plotter (Positionssignale ander Schiffe mit AIS) und in die Runde der uns umgebenden schwarzen Nacht (Lichter von Schiffen ohne AIS) und harre und döse dann die nächsten 20 Minuten so vor mich hin und denke gelegentlich: sind wir eigentlich bescheuert? Ich diktiere in mein Handy: „ Ich will so etwas nie, nie, nie wieder tun!!!“
Freitag 17 Juni
02:30 Weil das Wellengeschehen ja besser werden soll, versuche ich es noch ein paarmal nur mit Segeln, mache aber immer schnell den wieder Motor an. So geht es eben mit Gebrumme durch die Nacht, was auch ein klein wenig beruhigend wirkt. Weil, je schneller wir ankommen desto früher ist diese Kacke vorbei!
04:10 Die Wellen werden aushaltbarer (für mich). Um uns rum ist NIX - alles Schwarz bis auf den immer wieder bombastischen Sternenhimmel.
Ich werde mutiger und stelle mal auf 30 Minuten, wovon ich dann meist über die Hälfte auch schlafen kann. Unterdessen pflügt die My Way mit 6,2 Knoten durch den Atlantik.
Ansonsten passiert wenig. Zwar sind Fischer in der Nähe, aber ich sehe sie nur auf dem Plotter und in ausreichendem Abstand zu uns. Schlimmer ist aber, dass ich sie auf Kanal 16 höre. Es ist asiatisch klingendes Gebrabbel mit durchsetzten Quitsch-, Miau- und sonstigen Geräuschen, woran Alle - ausser mir - ihren Spaß zu haben scheinen. Das Dies ein Notkanal ist, scheint sie nicht zu interessieren.
05:40 Uhr Ich habe wohl etwas länger als 30 Minuten geschlafen als ich feststelle, dass der Akku meines Handy`s (Timer!) alle ist ... Nee,nee!
07:20 So, jetzt aber. Die See wird deutlich ruhiger und der Motor bleibt jetzt mal aus. Unter Vollzeug mit NW 3 – 4 von der Seite geht es immerhin mit 5,3 Knoten weiter.
10:10 Unsere in 24 Stunden zurückgelegte Strecke (Etmal) beträgt 135 Seemeilen – nicht schlecht für unsere Lady! Wenn das so bleibt, könnten wir uns ja glatt eine vierte Nacht auf See sparen !?
12:10 Mir geht`s wesentlich besser und ich bin wieder voll einsatzfähig. Ich setze den Gennaker, der uns zeitweise auf über 6 Knoten bringt :-))
15:00 Uhr Das Schlimmste scheint überstanden. Die Wellen sind nun fast gleichmässig und kommen einigermassen langgezogen mehr von hinten als von der Seite. Ich habe geduscht (ging erstaunlich gut) und sogar etwas gegessen..
Das Meer ist wahnsinnig blau ... aber wirkt etwas einsam. Weit und breit kein Schiff und auch kein Delfin soder so in Sicht :-((
Unser Tier hat sich auch beruhigt und schläft viel. Helga hat zwei mal probiert, hoch ins Cockpit zu kommen; aber die Unterfangen sehr
schnell wieder aufgegeben. Ihr geht`s gar nicht gut:-(( Die Überfahrt wird für sie wohl
eine Art Liegendtransport.
Blöd ist: wir haben uns zwar Filme und Bücher runtergeladen, aber für sie ist es am Besten, zu liegen, die Augen geschlossen zu halten und einfach (so einfach ist das aber nicht!) auszuharren ...
Es wäre wohl klug gewesen, auch Hörbücher auf Lager zu haben!
15:00 Uhr Das Schlimmste scheint nun überstanden. Die Wellen sind fast gleichmässig und kommen einigermassen langgezogen eher von hinten als von der Seite. Ich habe geduscht (ging erstaunlich gut im Cockpit) und auch was gegessen.
20:00 Uhr Es läuft jetzt ganz gut. Wir segeln mit stabiler Lage und 6,4 Knote :-)). Der Wind bläst nun mehr aus Nord mit 4 - 5 Beaufort. Den Gennaker hatte ich inzwischen gegen die Fock getauscht. Der Segelwechsel verlief überlegt und konzentriert und hat dadurch sehr gut auch alleine geklappt. Ich habe eben gelesen und auch wieder was gegessen. So kann zumindest ich gestärkt in meine / unsere zweite Nacht reinfahren. Helga und Skip schlafen schon, bzw. weiterhin.
Währen die Beiden doch besser mal nach Porto Santo geflogen. Dann hätte ich hier zwei Probleme weniger an Bord !
Samstag 18 Juni
O3:20 Die zweite Nacht verläuft ungefähr wie die Erste. Der Wind hat wieder abgenommen und der Motor sorgt für 6,5 Knoten Geschwindigkeit. Auch die blöden Asiaten sind wieder auf Sendung ;-(( Ich wache/schlafe wieder in meinem 30 Minuten Rhythmus. Aber diesmal ist der Akku voll geladen !
09:10 Tanker von Steuerbord; Kollision in 30 Minuten sagt das System. Abwarten und Tee ... och nee, ich mache mir lieber einen Espresso (Inverter, die aus 12 Volt 220 machen sind schon eine tolle Erfindung!).
Es kommt natürlich nicht zum Crash, da er (also der Tanker) vorschriftsmässig seinen Kurs so ändert, dass er weit vor unserem Bug durch geht.
10:20 Auch dieses Etmal beträgt 135 Seemeilen :-)) Noch bleibt der Motor an - zuwenig Wind.
Aber bald schon gibt es immer wieder mal schöne Perioden mit schnellem Gennakersegeln.
16:00 Zumindest des Skippers Stimmung ist hervorragend. Ich habe geduscht, zu Mittag gegessen und es mir danach mit Candace Springs und der WDR Bigband (https://www.youtube.com/watch?v=xbSTDLSCfsU) gemütlich gemacht :-)).
Helga liegt weiterhin in ihrer Koje ..............:-((
21:30 Es wird langsam dunkel, also geht`s in die dritte Nacht – zwischenzeitlich wieder unter Motor. Ich werde übermütig
und schaue mir einen Film auf dem Laptop an. Es passiert ja nix ... denkste ...
22:30 Nur gelegentlich werfe ich einen Blick auf den Plotter und plätzlich sehe ich ein Ungetüm von rechts auf uns zukommen ... mit 14 Knoten verdammt schnell und SEHR Nahe! Gleichzeitig stelle ich fest, dass ich vergessen habe, unsere Positionslichter einzuschalten. Ohne AIS (Automatisches Schiffsidentifizierungssystem) wären wir für ihn unsichtbar in der schwarzen Nacht gewesen und über den Haufen gefahren worden! Der Schreck fährt mir ganz schön in die Glieder. Von nun an kontrolliere ich die Umgebung wieder regelmässiger!
Sonntag 19 Juli
02:40 Diese Nacht muss ich ganz schön ackern. Nach der Sache mit dem Tanker versuche ich mehrmals nur zu Segeln und bin viel mit Trimmen beschäftigt. Als ich dazu mal nach vorne gehen muss, weil die Fockleine klemmt, traue ich kaum meienen Augen ...
Da hat Skip doch glatt ganz fein einen riesigen Haufen auf das Vordeck gemacht. Na, das gibt aber sofort Leberwurst extra !!!
Übrigens muss er in der Nacht zuvor wohl den Gennakersack angepinkelt haben, der auch da vorne lag. Jedenfalls roch der etwas „komisch“.
8:20 Immer noch Motorsegeln; diesmal mit Gennaker da, ich auf die angekündigte Windzunahme warte... wird aber nix :-((
Noch 50 Sm bis Porto Santo ...
11:15 Segeln ...
12:30 Motorsegeln. Wir wollen jetzt ankommen!! Helga hält sich nun vermehrt an Deck auf :-))
14:10 Land in Sicht !!
16:00 Ich funke den Hafen an und bekomme immer noch den Hinweis, dass wir Ankern müssen :-((
16:44 Wir erreichen Port Santo und versuchen im Vorhafen zu ankern. Der erste Versuch schlägt fehl. Wir versuchen es draussen neben dem Hafen, da schien es eh ruhiger zu sein.
17.11 Wir sind gerade dabei, den Anker durch Rückwärtsfahren einzugraben, als sich zwei Uniformierte mit Schlauchboot und Atemmasken von hinten nähern und beinahe von uns gerammt werden. Sie bekommen gerade noch rechtzeitig mit, was wir da tun und verschwinden wieder. Der Anker hält sofort.
So,..... ANGEKOMMEN, nach 475 Seemeilen in 3 Tagen und 7 Stunden !!!
(Mein) Erster Eindruck: Schön ist das hier aber nicht ...